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St. Petri-Kirche Deckbergen

 

Gegründet 896 durch Hildburg, erste urkundliche Erwährung um 1121 durch Cundigunda.

Römisches Hauptschiff und Turm um 1200, gotischer Chorraum und Südschiff um 1500.

Corpus Christi (Torso) aus dem späten 12. Jahrhundert.

Geschnitzter Flügelaltar um 1500, Fresken im Chorraum, Kanzel im Stil des Manierismus, protestantisches Taufbecken von 1594.

Ein Rundgang durch die
St. Petri-Kirche

(Auszug aus der Festschrift zur 1100-Jahre-Feier)

Das Kirchengebäude besteht aus zwei grundlegenden Bauabschnitten, die aus unterschiedlichen Epochen stammen. Das Hauptschiff und der Turm sind im romanischen Stil (um 1200) erbaut, während das Südschiff sowie der Chorraum in der gotischen Zeit (um 1500) entstanden ist.  Durch mehrere Umbauten gingen wertvolle Wandmalereien verloren. Von außen ist noch gut sichtbar, dass man Eingänge verlegt hat (Nord- und Südseite), sie zugemauert und andere Eingänge durch Einreißen der Wände neu geschaffen hat. Auf diese Weise ist einmal der Apostelzyklus, eine Wandmalerei (entstanden um 1500) im Chor der Kirche, zerstört worden. Man kann vermuten, dass er einmal umlaufend alle drei Wände geschmückt hat. 1927 legte ihn der Kirchenmaler Gotta aus Hannover frei, der auch andere Restaurationsarbeiten in der Kirche durchgeführt hat.

Dargestellt sind drei Figuren (Apostel) mit einem Heiligenschein, deren Namen zu ihren Häuptern in ungelenker Schrift angebracht sind. Es sind Männer mit sehr weiblichen, weichen Gesichtern, v. l. n. r.:
Matthias, mit einem Beil und einem Buch als Attribut. (Die Legenden berichten von seinem Tod durch das Beil.)
Paulus, mit einem Buch als Attribut.
Jakobus d. J., mit einer Walkerstange und einem Buch als Attribut. (Die Pharisäer sollen ihn auf die Zinne des Tempels in Jerusalem geführt haben, wo er seinen Glauben widerrufen sollte; auf seine Weigerung hin wurde er hinab gestoßen, vom Volk gesteinigt und schließlich mit der Walkerstange erschlagen.) Apostel sind gekennzeichnet durch die generellen Attribute Buch und / oder Schriftrolle.

Das Fragment/Freskenrest stammt aus der gleichen Zeit wie der Apostelzyklus, aus der Erbauungszeit des Chores (um 1500). Das Fragment ist jetzt wieder sichtbar nach seiner Freilegung und Restaurierung 1990. Man erkennt einen Löwen, eine Person und Buchstaben, die der Beginn des Namens Markus sein könnten. (Markus hat den Löwen als Attribut.)

Der geschnitzte Flügelaltar (um 1500) war ursprünglich doppelflügelig. 1964 sind seine Figuren durch die Restauratorin Christa Dieselhorst aus Hannover von alten Farbschichten befreit worden. Das Holz war stark beschädigt und hat eine Konservierung erhalten.

Im Schrein steht die Kreuzigungsgruppe und vier sie begleitende Heilige. In den Flügeln sind 16 zweireihig angeordnete Heiligenfiguren angebracht, vier Frauen und zwölf Männer, von denen nicht alle identifizierbar sind, da bei einigen die sie kennzeichnenden Attribute fehlen.

Frauenfiguren:
Katharina von Alexandrien, Attribut R a d (auf dem Haupt eine Krone); der Legende nach wurde sie wegen ihres christlichen Glaubens auf einem Rad gefoltert, das jedoch zerbrach.
Tugend der Mäßigkeit, Attribut K a n n e und P o k a l zum Mischen von Wein mit Wasser (auf dem Haupt ein Tuch).
Die eine dieser Frauenfiguren kann doppelt gedeutet werden: Entweder als Maria Magdalena, Attribut Salbbüchse (auf dem Haupt eine Krone); sie war nach mittelalterlichen Legenden auch bei der Grablegung Christi dabei und salbte seinen Leichnam; oder als
Hiltburg, (Kirchenstifterin), Attribut Kirchenmodell mit Turm.
Frauenfigur, ohne Attribut (auf dem Haupt eine Krone)

Männerfiguren:
Andreas, Apostel, Attribut X-förmiges 'Andreaskreuz' (nach Berichten alter Kirchenschriftsteller soll er nach Predigten in Südrussland und auf dem Balkan, in Patras, Griechenland, den Märtyrertod durch Kreuzigung gefunden haben)
Johannes, Evangelist, Attribut Pokal (Legenden berichten, dass er einen Giftbecher leerte, ohne Schaden zu nehmen; außerdem lag er an der 'Brust des Herrn' beim letzten Abendmahl)
Rochus, Heiliger, Attribut nacktes Bein, auf dem er eine Pestbeule vorzeigt (Ende des 13.Jahrh. geboren; als reicher Jüngling teilte er sein Vermögen unter die Armen auf und pflegte Pestkranke)
Johannes der Täufer, Vorläufer Jesu von Nazareth, Attribut Lamm Gottes auf einem Buch. (Er ist in ein Fellgewand gekleidet, zum Zeichen, dass er Jesus als den Messias erkannte und ihm die Bezeichnung 'Lamm Gottes' gab)
Uffo, Pilger, Attribut ein Kirchenmodell mit zwei Türmen sowie als Pilger markiert mit Pilgerhut (Muschel) und Pilgertasche. (Er wird als Kirchenstifter gedeutet, der die Möllenbecker Kirche mit ihren zwei Türmen trägt)
Pilger, Figur mit Pilgerhut, weiteres Attribut fehlt

Die Flügelaußenseiten zeigen zwei Gemälde mit Passionsszenen, davon eins stark beschädigt: Gefangennahme Christi und Handwaschung des Pilatus. Malerei um 1500, wurde erst zu Beginn dieses Jahrhunderts freigelegt.

In Abbenrode bei Wernigerode/Harz (früher DDR) ist im dortigen Flügelaltar ein Gemälde zu sehen, das in der Bildkomposition dem Deckberger Gemälde gleicht. Es stammt aus der 1726 abgebrannten Stephani-Kirche in Goslar. In mehreren Publikationen wird erwähnt, dass der Meister des Flügelaltars in Abbenrode auch die Deckberger Gemälde geschaffen hat. Martin Schongauer oder die 'Schongauer Schule' des Matthias Grünewald werden als Schöpfer der Gemälde angesehen. Auf dem rechten Gemälde ist die Szene der ”Handwaschung des Pilatus” dargestellt; Christus und Kriegsleute stehen vor seinem Richterthron. Frau Pilatus steht hinter ihrem Gatten und legt ihm die Hand auf seine Schulter. Alle vier Evangelisten berichten von Verhandlungen vor Pilatus mit dem gefangen genommenen Jesus. Die Darstellung auf dem Deckberger Gemälde entspricht dem Text des Matthäus, Kap. 27,19ff: ”...Und da er (Pilatus) auf dem Richterstuhl saß, schickte seine Frau zu ihm und ließ ihm sagen: Habe Du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; ich habe heute viel erlitten im Traum seinetwegen ... Da aber Pilatus sah, dass er nichts ausrichtete, sondern vielmehr ein Getümmel entstand, nahm er Wasser und wusch die Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin unschuldig an seinem Blut; sehet ihr zu!' Nur Matthäus berichtet als einziger Evangelist von der Frau des Pilatus.

Das Abendmahlsgemälde (Predella), gemalt 1589, ist von Heinricius Cropius und seiner Frau Margareta Croppes gestiftet worden. H. Cropius war seinerzeit Amtmann auf der Schaumburg. Die Komposition des Gemäldes geht auf Leonardos berühmtes Gemälde zurück. Kurz nachdem die Reformation hierzulande eingeführt worden war, entstand das Gemälde als erstes 'evangelisches' Abendmahlsgemälde hier im Umkreis. Der Stifter des Bildes ist in der Gruppe um Jesus mit abgebildet. Er trägt eher bäuerliche Kleidung sowie eine Mütze auf dem Kopf.

 

Die Kanzel steht auf einem Sockel von 1498, der Schalldeckel entstand 1609. Ein Bilderzyklus, bestehend aus 6 Feldern, zeigt Szenen aus dem Leben Jesu:
1. Bild: 'Maria Verkündigung'
2. Bild: 'Die Heilige Nacht'
3. Bild: 'Jesus, Messias und Welterlöser'
4. Bild: 'Kreuzigung Jesu, Golgatha'
5. Bild: 'Jesu Höllenfahrt' (ein seltenes Motiv)
6. Bild: 'Jesu Auferstehung'

Auch diese Gemälde sind erst zu Beginn dieses Jahrhunderts freigelegt worden; sie sind im Stil des Manierismus ausgeführt (Kunstgeschichtlich ist das die Epoche zwischen Renaissance und Barock um 1520).

Das heutige Lesepult wird getragen von einem bearbeiteten Stein, den man im früheren Pfarrhaus in einer Wand gefunden hat. Er trägt die Jahreszahl 1511, ein Radkreuz (ähnlich den Weihekreuzen an den Wänden) und ist an der 3. Seite mit einem Ornament und Buchstaben geschmückt.

 

Die Orgel wurde, wie noch heute die Schrift am Prospekt ausweist, 1692 erbaut. Sie entstammt der Werkstatt des Orgelbaumeisters Heinrich Klausing aus Herford. Die Aufteilung der schmückenden Ornamente, die Aufteilung der Pfeifentürme und die Anbringung der Jahreszahl an ihrem Platz weisen sie als eine Arbeit des Meisters Klausing aus. In Bippen bei Osnabrück steht eine Orgel, die der unseren gleicht. Dort kann man sie als eine Arbeit des Meisters Klausing belegen. In den Deckberger Akten finden sich Belege über die Bezahlung des Johan Adrian für das Treten der Blasebälge im Jahre 1681.

In den folgenden Jahrhunderten hat immer wieder ein Schriftverkehr stattgefunden zwischen den Deckberger Pastoren einerseits und den zuständigen Ämtern andererseits über notwendige Reparaturen an der Orgel. Mehrfach musste sie grundlegend erneuert werden, wobei man noch funktionsfähige, alte Teile mit verwendete. 1882 erstellte die Firma Ph. Furtwängler und Söhne (Elze) einen 'Kostenanschlag', den ein eindrucksvoll gestaltetes Titelblatt schmückt (vgl. Foto). Zuletzt erfolgte 1967 eine grundlegende Überholung der Orgel durch die Firma Hillebrand, Altwarmbüchen. Immer ist aber das inzwischen schon 300 Jahre alte Prospekt erhalten geblieben, trotz mehrerer Renovierungen der Orgel.

1992 fand ein musikalisch gestalteter Gottesdienst statt, der dem 'Geburtstag' der Orgel galt. Der Deckberger Organist Wilhelm Stieg hatte Orgelwerke von Komponisten aus der Entstehungszeit der Orgel ausgewählt. Da auch er ein Meister des Orgelspiels ist, hörte man ihm begeistert zu. Der junge Christian Reiss erfreut ebenso durch sein Orgelspiel die Gottesdienstbesucher. Er übernimmt das Spielen, wenn es zeitlich mit seiner Ausbildung in Göttingen in Einklang zu bringen ist. Beiden Organisten sei hier herzlich gedankt für ihren sonntäglichen Dienst, an dem viele Menschen ihre Freude haben.

Die 'Priechen'/Emporen an der Nordseite der Kirche, auf alten Fotos noch zu sehen, sind bei der großen Renovierung der Kirche 1963/64 abgebrochen worden, hingegen an der West- und Südseite bestehen geblieben. Der Baumeister hat sein Werk mit der folgenden Inschrift versehen: 'MLB Lvekebade Me Fecit ANNO 1650'. Dieser ist außerdem seine individuelle 'Hausmarke' hinzugefügt (siehe Beschreibung von Steinmetzzeichen). Früher war es üblich, sich einen Sitzplatz in der Kirche zu kaufen, der dann durch die eingeritzten Anfangsbuchstaben des Käufers gekennzeichnet wurde. Noch heute sind diese Markierungen auf der Ballustrade der südlichen Empore zu sehen.

 Im Südschiff der Kirche an der Ostwand hat der romanische Corpus Christi, entstanden um 1200, seinen heutigen Platz. Auch er ist ein Meisterwerk in der Kunst des Holzschnitzens; leider ist uns sein Meister nicht bekannt. Durch die typische Darstellung der Krone auf dem kaum merklich geneigten Haupt Christi (keine Dornenkrone!) sowie der fest nebeneinander gestellten Füße kann die Entstehungszeit festgelegt werden.
Die Arbeit des Holzschnitzers stellt die Glaubensauffassung des späten Mittelalters meisterhaft dar. Christus ist der Gekreuzigte, zugleich aber auch der Auferstandene, von dem die Hoffnung auf Leben ausgeht.

Zu seinen Füßen steht heute der Taufstein, eine Arbeit aus Sandstein, entstanden 1594. Ein Schriftband schmückt den oberen Abschluss des Taufbeckens: 'Christus reiniget die Gemeinde durchs Wasserbad im Worde Ephes. 5, 1594'. Den Sockel schmücken die Symbole der 4 Evangelisten:
Engel/Mensch (Abbild der Menschwerdung Christi): Symbol für Matthäus
Stier (Opfertod Christi):Symbol für Lukas
Löwe (Auferstehung Christi): Symbol für Markus
Adler (Himmelfahrt Christi): Symbol für Johannes
Rundumlaufend sind die Figuren der 12 Apostel in einer bunten Bemalung plastisch dargestellt.

Die heute sichtbaren vier Weihekreuze (Freilegung 1990) mögen, umlaufend an den Wänden, mit einer früheren Weihe der Kirche im Zusammenhang stehen. Es sind vermutlich einmal 12 gewesen in Erinnerung an die 12 Apostel.

Die Mitte eines jeden Gewölbes ist durch so genannte Schlusssteine geschmückt, die unterschiedlich gestaltet sind. Einige sind mit Ausmalungen versehen (Schaumburger Nesselblatt, Mindener Wappen 2 gekreuzte Schlüssel, Lutherrose), andere hingegen treten reliefartig hervor: Christus als Opferlamm sowie ein besonders ausdrucksvoll gestaltetes Petrus-Relief. In der St. Petri-Kirche hat man damit ihren Schutzpatron besonders hervorgehoben.

Die Steinmetzzeichen, die innen und außen an der Kirche zu finden sind, waren die 'Hausmarken' einer bestimmten Person. Sie wurden von den damaligen Zünften verliehen und sie durften nur von diesem einen Steinmetz benutzt werden, unter Androhung von Strafmaßnahmen bis zum Ausschluss aus der Zunft bei widerrechtlicher Benutzung.
Zwei in Deckbergen vorkommende Zeichen sind identisch mit Zeichen, die man am Möllenbecker Kirchenbau findet.

Die Steinmetzzeichen, die innen und außen an der Kirche zu finden sind, waren die 'Hausmarken' einer bestimmten Person. Sie wurden von den damaligen Zünften verliehen und sie durften nur von diesem einen Steinmetz benutzt werden, unter Androhung von Strafmaßnahmen bis zum Ausschluss aus der Zunft bei widerrechtlicher Benutzung.
Zwei in Deckbergen vorkommende Zeichen sind identisch mit Zeichen, die man am Möllenbecker Kirchenbau findet.

Die Ausmalung des Gewölbes im Turm zeigt eine Renaissance-Ornamentik (die wohl um 1600 entstanden ist), deren Mitte ein Nesselblatt ziert. Bei den Renovierungsarbeiten 1990 haben die Restauratoren die Malerei rekonstruiert und konserviert, und damit vor dem Abbröckeln und der Zerstörung bewahrt.

In der Kirche sind in früheren Zeiten Pastoren und 'höher gestellte' Personen beigesetzt worden. Ihre Gräber kamen bei Renovierungsarbeiten ans Licht. Die Abdeckplatten der Gräber waren z. T. kunstvoll gearbeitet und sind heute teilweise außen an der Kirche zu sehen.

 

Ebenfalls außen, an der Ostwand des Chores, befindet sich ein spätgotisches Sandsteinrelief, das um 1500 entstanden ist und aus 2 Feldern besteht. In dem einem sieht man die Kreuzigungsgruppe mit Sonne und Mond als Symbol für die Vollkommenheit Christi; in dem anderen die Kreuztragungsszene.

Im Sturz über dem südlichen Eingang ist folgendes eingemeißelt: 'ANNO dom MCCCCC Dns CONRADUS DE SULBEKE plbn in decber rencke kaerbric joha krol herme struckmeyer olderlude.
'Als man den gotischen, südlichen Erweiterungsbau an der Kirche durchführte, war Konrad von Sülbeck Geistlicher (plbn=Plebanus=Geistlicher) in Deckbergen, und es dienten ihm drei Altarleute (olderlude) mit Namen Rencke Kaerbrink, Johann Krol und Hermann Struckmeyer. Im Laufe der Jahrhunderte wurde in und an der Kirche vieles zerstört. Manches wird dem Zerfall nahe gewesen sein und war somit nicht mehr zu retten.

Es gab Epochen, in denen man Dinge für wertlos hielt, die uns heute kostbar erscheinen und von denen wir uns wünschen, man hätte sich bemüht, sie zu erhalten. So sind wir dankbar für die vielen in unserer Kirche erhaltenen Kunstwerke der vergangenen Jahrhunderte, die die unterschiedlichsten Glaubensauffassungen zum Ausdruck bringen.

Heidrun Sternsdorff, 1996